Onken Academy –
Das O & A der Bildung

Der Winter naht – Innenschau

04. Dez 2019Maya Onken

Sei dein Boss und blicke in den eigenen Keller

Der Winter naht. Er schreitet bereits mit zügigem Schritt auf uns zu. Erste Kaltfronten erreichen uns. Zarte Schneeflocken kündigen sein Kommen an.

Es ist die Zeit, in welcher die Natur sich zurückzieht. Wachstumsenergien werden gestoppt und ins Wurzelreich umgeleitet. Knospendünger wird gebraut, im Inneren der Natur, während im Draussen nur dürre Zweige und fallende Blätter sichtbar sind.

Es ist die Zeit für eine Innenschau. Den Blick auf die eigenen Energien richten, den nächsten Wachstumsschub vorbereiten, die natürliche Pause im Gedeihen und Blühen nutzen, um optimale Bedingungen für die nächste Runde zu schaffen.

Bei meiner aktuellen Überprüfung frage ich mich zurzeit, wo die Schwelle von einer positiven Stärke, einer Charaktereigenschaft, einem persönlichen Muster liegt zu dem Teil, wo fängt es an, unheimlich zu werden.

Meine erste Antwort ist, dass wir alle mal kippen, von dem Ausgewogenen ins Übermass. Vom Ausbalanciertem ins Einseitige. Vom Energiespendenden ins Ungesunde. Vom Hilfreichen ins Beschwerliche.

Die wichtige Frage ist dabei nur: merken wir es auch?

So bin ich zum Beispiel ein Mensch, der gerne viel und intensiv erlebt. Ich unterrichte an meiner Schule, rausche alsdann nach Zürich, gebe dort eine Tanzlektion, treffe danach eine Freundin und gehe mit ihr tanzen. Auf dem Heimweg erledige ich noch einige geschäftliche Sprachnachrichten. Dann stehe ich am Folgetag früh auf, schreibe mir während dem Frühstück die Liste für den kommenden Tag und los geht’s. Das mag ja auf den ersten Blick noch ganz okay sein, doch einige in meinem Umfeld schütteln hier bereits den Kopf. Das ist zu viel, du überlädst dich, denke an deine Energien. Dann lächle ich freundlich und winke ab – «Alles im Griff, das tut mir alles gut und gibt mir Power.» Doch wenn man fünf solche Tage aneinanderreiht, und wenn dann noch etwas Unvorhergesehenes in der Familie passiert, wenn man plötzlich noch eine Aufgabe oder Schicht von anderen übernimmt, wenn man sich eine Schulter anknackt oder einem ein Schnupfen schwächt, dann beschleunigt sich das System, welches bereits auf der äussersten Temporille rauscht. Auf dem Klo werden die Mails gelesen, während dem Mittagessen werden Briefe getippt, während dem Autofahren werden Telefonate erledigt. Es ist nicht mehr eines nach dem andern, es sind dicht befrachtete Kompartimente ohne Luft und Atem.

Hier kippt das System ins Ungesunde. Die fleissige Biene, die gerne fliegt und Honig nascht wird ein Colibri mit 200 Herzschlägen in der Minute.

Oder jemand ist von Grund auf vorsichtig und bedacht. Wägt Entscheide gut ab und klärt zuerst einmal den Faktenstand, bevor ein Ja oder Nein gesprochen wird. Ein gesundes Misstrauen anderen gegenüber ist an der Tagesordnung, weil man manchmal einfach nicht weiss, wem man trauen kann. Aber dann erlebt diese Person eine Enttäuschung, erfährt von anderen, dass jemand schlecht von einem berichtet und wird noch vorsichtiger. Gleichzeitig stehen mehrere Entscheide an. Die Person gerät unter Druck. Von einem gut überlegten Entscheider wird ein misstrauischer Neinsager, welcher andere überprüft und ganze Prozesse stoppt vor lauter Sicherheitschecks.

Oder jemand ist grundsätzlich freundlich und offen, hilfsbereit und unterstützend unterwegs. Das ist ja eine wirklich nette Geste und viele Personen können davon profitieren. Aber wenn diese Person vor lauter Hilfsangebote nur noch für andere schuftet, Arbeit und Verantwortung übernimmt, dabei vergisst richtig zu essen und zu schlafen, dann wird das bereits krankhaft.

Die Menschen im Aussen merken diese Veränderungen. Sie können Unterschiede des Verhaltens oder der Entwicklung benennen. Wir selbst sind oft mit verbundenen Augen und seitigen Scheuklappen unterwegs. Weil es unser Muster ist, das wir täglich leben, bemerken wir die Veränderungen kaum. Es ist einfach vom Bekannten etwas mehr. Nichts weiter.

Sei dein Boss und nimm dich immer wieder mal selbst zur Brust. Was treibst du gerade? Wenn du ein akutes Problem hast, dann frag dich bitte: Was trägst du zu diesem Problem bei? Sei liebenswert kritisch mit dir selbst. Frag dich: Hat sich dein Muster verändert und verstärkt? Machst du von gewissen Dingen mehr als üblich, so dass es eventuell bereits ungesunde Formen angenommen hat?

Sei dein eigener Boss und warte nicht darauf, dass das Leben diese Korrektur ins gesunde Mass vornehmen muss. Warte nicht darauf, dass dir beim Tanzen einer – ungewollt – einen Fausthieb verpasst, so dass dir der Arzt eine Woche Ruhepause verschreibt. Fordere das Leben nicht so heraus, dass sich liebenswerte Menschen von dir abkehren, weil sie dein Misstrauen nicht mehr aushalten oder dass jemand deine Hilfsbereitschaft so ausnutzt, dass er oder sie deine Gesundheit gefährdet, dein Bankkonto abräumt oder dir deine Freunde raubt.

Sei dein Boss und behalte dich im Blick, denn du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben! Nutze die Winterzeit, um Innenschau zu halten, um auch die Teile zu entdecken, die wir wieder ins Gleichgewicht bringen sollten. Damit wir für das Neue gewappnet sind - aufgeräumt, heiter und ausbalanciert.

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