Achtung Nebenwirkung: Nebst
Kompetenzerweiterung auch Potenzialentfaltung

Tag der Frau – eine Klamotte für den Keller

07. Mär 2024Maya Onken
Grossmami

Juhu. Alle Frauen dieser Welt stehen zusammen, erheben sich, so dass die Weltkugel in ihrem Rhythmus etwas ausser Takt gerät. Sie würdigen gemeinsam ihren Werdegang von der unterworfenen, dem Herd unterstellten Frau zur weiblichen Powerkraft.

Damals wussten Frauen noch, dass sie in der Schweiz vor 100 Jahren kein Recht auf ein eigenes Bankkonto und einen eigenen Willen hatten. 

Dass der Mann bestimmen konnte, ob sie zu Hause den Haushalt bestritt oder Geld verdient (das sie selbstverständlich abgibt). 

Der Mann konnte beim Arbeitsgeber vorsprechen und ihm sagen: «Mir passt es nicht, dass meine Frau für Sie arbeitet. Sie ist zu Hause nur noch müde, und kann ihren häuslichen Pflichten wie zu kochen, putzen, die Kinder zu versorgen und mich ordentlich zu befriedigen nicht nachkommen. Deshalb kündige ich ihre Anstellung bei Ihnen.»

Damals wussten die Frauen in der Schweiz noch, dass sie erst seit 1971 wählen gehen durften. 

Erst ab 1988 durfte eine Frau zu Hause anmelden, dass der Mann im Haushalt mithelfen müsse, weil das neue Eherecht diese Gleichstellung einführte. 

Erst 1996 wurde ein Gleichstellungsgesetz aktiv, in dem die Frauen ein Anrecht auf gleiche strukturelle Bedingungen im Erwerbsleben haben wie die Männer. 

Ausserdem wussten Frauen, dass sie jedes Jahr bis zum 17. Februar (in CH, der Tag wechselt von Jahr zu Jahr) gratis arbeiten (Equal Pay Day). 

Erst ab dem 18. Februar (CH 2024) haben sie gleich viel Geld wie jeder andere Mann in der gleichen Stellung mit dem gleichen Job.

Das heisst, Frauen müssten jedes Jahr am 8. März auf die Barrikade. Sie verdienen nämlich immer noch rund 14 Prozent weniger als Männer. Sie werden in beruflichen Laufbahnen übersehen und auch das Einfügen von Quotenfrauen hat es den Frauen nicht vereinfacht, sich im Beruf zu beweisen. 

Sprich, eine Frau muss mehr auf dem Kasten haben als ein Mann, um in die gleich gute Position zu kommen wie er und erhält dafür 14 % weniger Lohn.

Das schreit nach Ungerechtigkeit. Nach Aufruhr. Nach Streiks. Nach Debatten. Nach Politikerinnen, die sich dafür stark machen für die Anliegen der Frauen.

Und was passiert? Nichts.

Der Tag kommt, der Tag geht. Dazwischen einige nostalgische Berichte von «früher» und damit der klare Hinweis - die Sache ist gegessen. Frauen fügt euch. Frauen seid zufrieden mit dem, was gerade da ist. Das reicht. 86 % eurer Sache ist erreicht.

Ihr dürft euch wehren, motzen, wenn ihr sexuell missbraucht werdet (Me too), ihr dürft Männer aus dem Haus werfen (dank Bundesrätin Karin Keller-Suter), wenn sie euch Gewalt antun, ihr dürft jede Ausbildung wählen (Pilotin, Maschinenbauingenieurin), aber ihr müsst selbst schauen, dass ihr es auch werden könnt und dass ihr genügend Geld dafür bekommt.

Ihr dürft Kinder haben, sie abtreiben, sie adoptieren, sie alleine grossziehen. Ihr dürft in offenen und geschlossenen Beziehungen leben, niemand verbrennt euch mehr auf dem Scheiterhaufen. Also freut euch!

Ich hatte früher viele Vorträge zu dem Thema. Frauen diskutierten noch und waren interessiert. Jetzt sind viele einfach in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die Werbemaschinerie macht vielen weiss, dass ihre jetzige Aufgabe nicht ist, mit den restlichen 14 Prozent aufzuräumen, sondern sich die Jugendlichkeit möglichst lange zu erhalten. Deshalb sind Frauen* sehr beschäftigt. Sie lesen nicht mehr die Gesetzesentwürfe und die Zeitungen, sondern die Packungsbeilagen von Kollagen-Schönheitsprodukten. Sie kämpfen nicht mehr um mehr Geld, sondern um mehr Follower auf Instagram. Sie kaufen nicht mehr Bücher, sondern Push-up-BHs und Trendklamotten. Junge Frauen haben zudem keine Ahnung, was ihre Vorgeschichte ist. Sie kennen oft weder Meta von Salis, Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer, die für die Frauenrechte aufgestanden sind, noch all die Frauendilemmas, die auf der ganzen Welt bestehen. Sie schauen sich zwar im Kino Filme über Sklaverei an und bedauern Django Unchained, haben aber keinen Schimmer, dass es in Ehen oft genauso zu und her ging und geht.

Ich gebe es zu. Ich habe (fast) aufgegeben. Der Internationale Frauentag 8. März, der seit mehr als 100 Jahren begangen wird, hängt bei vielen Frauen wie eine alte ausrangierten Klamotte im Kleiderschrank, im Keller oder im Estrich. Höchste Zeit, den Mantel an die frische Luft zu hängen, vom Staub der Unwichtigkeit und Bequemlichkeit auszuklopfen und ihn wieder anzuziehen.

Was du tun kannst?

  • Sei solidarisch mit Frauen!
  • Unterstütze ihre beruflichen und privaten Werdegänge.
  • Erkundige dich über das Gehalt deiner Kollegen und frage deinen Chef, deine Chefin, wie er dir den Unterschied erklärt?
  • Schau genau hin, wie es bei euch zu Hause zu und her geht. Herrscht bei dir Gleichberechtigung am Herd oder der Spüle? Männerhände sind nicht zu gross, um einen Staubsauger anzufassen. Ausserdem haben Männerhände eine strapazierfähigere Haut und sind prädestiniert für den Abwasch.
  • Gib dich also nicht zufrieden mit dem, was da ist.
  • Sei dankbar für das Erreichte, aber ruh dich nicht aus!

Die ausrangiert Klamotte ist heute brandaktueller denn je. Hol sie rau, lüfte sie und gib ihr deinen persönlichen Touch.

Sorg dafür, dass die Sache der Frau nicht stagniert, sondern weitergeht!

*Selbstverständlich nicht alle!

Das gilt nur der Polemik, damit es stärker wirkt. Jede Frau, die diesen Klischees nicht entspricht, macht einen Unterschied in dieser Welt. Und ich bin froh und dankbar für jede dieser Frauen!

 

Datenschutzhinweis
Diese Webseite nutzt externe Komponenten, welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Lesen Sie dazu mehr in unseren Datenschutzinformationen.
Notwendige Cookies werden immer geladen